Es ist vollbracht. Die Handballfrauen des TuS Nettelstedt sind Meister der Bezirksliga. Sie krönten einen unwiderstehlichen Endspurt mit ihrem fünften Sieg in Folge, entthronten im abschließenden Spiel den Tabellenführer HSV Minden-Nord mit 26:22 (11:11) und schoben sich auf den allerletzten Metern der Zielgeraden vorbei auf den ersten Platz, der zum Aufstieg in die neue Verbandsliga Westfalen (bis dato Landesliga) berechtigt.
Ein Jahr nach dem bitteren Abstieg, dem ein dramatischer personeller Umbruch folgte, hat das extrem verjüngte Team um Kapitänin Mette Riechmann damit die direkte Rückkehr auf Verbandsebene geschafft.
Es war – Vegetarier und Veganer mögen das Bild verzeihen – das fetteste aller denkbaren Um-die-Wurst-Spiele, in dem die Spielzeit kulminieren sollte: Zweiter gegen Erster, Nettelstedt gegen Minden, Sekt oder Selters. Jedes andere Ergebnis als ein Heimsieg hätte die Frauen aus Stemmer zum Meister gekürt, weil sie das Hinspiel mit zwei Toren für sich entschieden hatten und so den direkten Vergleich anführten.
Für das Team von der Weser war die Angelegenheit vielleicht noch mehr eine Frage der Ehre als für die Gastgeberinnen. Die Klubs verbindet eine wechselvolle Geschichte sportlicher Duelle. In jüngerer Vergangenheit spielte der Verbund aus TuS Minderheide, TuS Freya Friedewalde und TV Stemmer dabei allerdings buchstäblich in einer anderen Liga. Zuletzt jedoch hat es den HSV so durchgerüttelt, dass einem schwindelig werden konnte.
Saisonfinale, gut gewürzt
Nach der Trennung von ihrem umstrittenen „Multitrainer“ im lange so erfolgreichen weiblichen Nachwuchsbereich gab es diesen nurmehr bis zur C-Jugend, darüber klaffte eine vier Jahrgänge umspannende Lücke. Auch deswegen mussten zum Saisonende 2022/23 die Flügel in der Landesliga gestreckt werden, die zuvor maßgeblich mit A-Mädchen bestritten worden war. In der Winterpause dann folgte mit dem Rückzug aus der Oberliga ein regelrechtes Erdbeben.
So wurde aus den Bezirksliga-Damen, die bis vor Jahresfrist noch ein gemütliches Dasein als Dritte des HSV gefristet hatten, binnen weniger Monate de facto dessen Erste – weil einzige. Bis der Neuanfang in Stemmer Früchte im Seniorenbereich tragen kann, ist es an den Damen von Jürgen „Frosch“ Froböse, die Farben des stolzen HSV hochzuhalten. Da mögen vor allem im Umfeld nicht wenige eine Bezirksliga-Meisterschaft als eine Art Lebenszeichen herbeigesehnt haben.
Der Liga-Showdown hatte also über die Tabellenkonstellation hinaus Würze, und er sollte im Handballtempel an der Husener Straße eine würdige Kulisse finden. Neben Familien und Freunden sowie den treuen Anhängern aus der TuS-Fußballabteilung und der LIT-Vereinsfamilie gab es ein Wiedersehen mit einigen, die man schon etwas länger nicht mehr auf den Rängen gesehen hatte.
Einige Mitbewerberteams wollten sich live und in Farbe anschauen, wer am Ende das Rennen macht, und auch die HSV-Frauen hatten eine respektable Fangemeinde mobilisiert. Um die TuS-Anhängerschaft aus dem Sattel zu holen, waren Jonas und Juli Tabel als Hallensprecher und Schallplattenreiter angetreten.
Abschlusstraining Deluxe
Für die TuS-Mädels hatte den Tenor des Tages am Vorabend einer ausgegeben, dem zwar der Makel anhaftet, nie Meister der Frauen-Bezirksliga gewesen zu sein, der dafür aber in seiner Laufbahn den einen oder anderen Trostpreis eingeheimst hat. Unter anderem durfte er vor 17 Jahren mal die wohl unhandlichste Trophäe in der Geschichte des Handballsports in Händen halten.
Die Rede ist von Michael Haaß, Weltmeister von 2007 (und zweimaliger EHF-Pokalsieger und DHB-Pokalsieger und 120-facher Nationalspieler und wer weiß, ob er selbst noch weiß, was sonst noch alles). Der Chefcoach des Männer-Profiteams hatte sich die Zeit genommen, als Bonbon für die Mädels das Abschlusstraining zu leiten. Kampfauftrag: Die von den Zehennägeln bis in die Haarspitzen angespannten Mädels bestmöglich aufzulockern.
Das ist ihm ganz offensichtlich gelungen. Jedenfalls herrschte am Tag der Tage in Reihen der Gastgeberinnen eine Zuversicht, die nicht unbedingt selbstverständlich erschien. Immerhin hatten sie drei der sieben vorangegangenen Spiele gegen die anderen Top-Fünf-Teams verloren, darunter auch das beim HSV. Andererseits haben sich die Punktverluste allesamt auswärts unter Bedingungen des Haftmittelverbots zugetragen, während man zu Hause, wo richtiger Handball gespielt wird, eine blütenweiße Weste vorweisen konnte.
Im Vertrauen darauf, dass die Festung Nettelstedt auch dem HSV standhalten würde, hatten die TuS-Mädels ihre Kabine christbaumartig geschmückt und alle Vorbereitungen für eine Meisterfeier getroffen. Spielmacherin Finnja Rohlfing, zur Saison ausgerechnet aus dem Stemmeraner Oberliga-Team in die Vereinsfamilie zurückgekehrt, biss auf die Zähne und führte ihr Team trotz einer schmerzhaften Sprunggelenksverletzung in gewohnt souveräner Manier in die Partie, die um jeden Preis zur Krönungszeremonie in den eigenen vier Wänden werden sollte.
Obwohl auf der anderen Seite mit Jule Köpper eine vergleichbar auffällige und mindestens ebenso erfahrene Leaderin agierte und ihrem Team die mit Abstand beste kämpferische Leistung aller Mannschaften zu bescheinigen ist, die sich im Saisonverlauf in Nettelstedt vorgestellt haben, zeichnete sich früh ein optisches Übergewicht für den TuS ab. Die Gastgeberinnen waren schneller, ballhungriger, geradliniger und zeigten auch in den Eins-gegen-Eins-Situationen die nötige Körperlichkeit.
Die Mädels legten einen Bilderbuch-Start hin, der die Richtung für den Abend vorgeben sollte. Nach weniger als drei Minuten stand es 3:0, und bis kurz vor dem Seitenwechsel sollten die Roten in Führung bleiben (10:10, 28.). Auch der Gang in die Kabinen hätte wohl mit einem beruhigenden Polster angetreten werden können, wenn man denn etwas unbarmherziger im Torabschluss gewesen wäre.
Vier gewinnt
Die Chancenverwertung blieb bis in die Schlussminuten das einzige offensichtliche Manko beim ansonsten starken Auftritt der TuS-Mädels. So blieb es rein zahlenmäßig bis zum 22:19 in der 53. Spielminute ein offenes Spiel, in dem die Gäste insgesamt drei Mal ausgleichen konnten, zuletzt beim 14:14 (40.). Eine Führung vorzulegen, sollte ihnen jedoch nicht gelingen.
Ein gutes Dutzend Freie zu verballern ist ein Luxus, den man sich leisten können muss. Andererseits ist Handball ja ein einfaches Spiel, bei dem gewinnt, wer eins mehr macht. Am Ende waren’s vier. Reicht.
Die souverän agierenden Unparteiischen Frank Schrader und Karsten Veit sahen gnädig darüber hinweg, wie die Ordnung im Auswechselbereich in Vorbereitungen zum Jubel-Prozedere unterging. Die letzten Sekunden wurden laut heruntergezählt. Um 19.22 Uhr verkündete das schmucklose „Määäp!“ der Spielzeitanlage das glückliche Ende einer schmuckvollen Saison.
Sollten zuvor im Eifer des Gefechts hier und da ein paar Tröpfchen bösen Blutes geflossen sein, waren die Wunden nach dem Schlusspfiff rasch verheilt. „Frosch“ und seine Vizemeisterinnen waren nach bester Sportlersitte die ersten Gratulanten.
Der Rest des Abendprogramms sollte aus Jubel, besinnlichen Gesängen, Pizza- und Getränkekonsum bestehen. Für die Details gilt: Was im Planwagen passiert, bleibt im Planwagen, und die „Passstelle“ der Fußballer bleibt selbst dann ein verschwiegener Ort, wenn es in ihr laut wird.
Dankedankedanke!
Aus gegebenem Anlass ist auf die Statistik gehustet. Wen es interessiert, wer wie viele Tore geschmissen hat, möge es im Spielberichtsbogen nachlesen. Wir wollen vielmehr alle miteinander würdigen, die über einen Zeitraum von zwölf Monaten ihren Beitrag geleistet haben – das Meisterteam der Saison 2023/24:
Anna und Lilly Aspelmeier, Annika Droste, Lilli Feer, Clarissa Halwe, Greta Heinecke, Zoe Heitland, Maike Hoffmann, Chiara Husemann, Sven Kaatze, Marco Kostka, Antonia Kraus, Mona Langewisch, Rica Löwenstein, Johanna Maier, Greta und Sandra Meier, Linn Püfke, Mette Riechmann, Finnja Rohlfing, Tanja-Marie Schmidtke, Carlotta Schütte, Marla Stapper, Vanessa Taddigs, Mara Voss, Laura Watermann, Greta Weisemann, Amelie Westerhoff, Katharina Wiebe, Sara Wittemeier und Andreas Püfke.
Das Team dankt allen Unterstützerinnen und Unterstützern, allen Zuschauern auf den Rängen auswärts wie daheim; der Handball- und der Fußballabteilung, dem Gesamtverein und dem TuS N-Lübbecke; Jonas Granzow, Familie Haaß und Helly Schulz; Timon Hilger, Christian Wenzel, Frank Begemann, Achim Siebe und Marco Schubert; Erwin Südmeier, „Tichel“ Westerhoff, Jonas und Julius Tabel; allen Unparteiischen und Ehrenamtlichen des Handballkreises, die mit ihrem Engagement den Spielbetrieb ermöglicht haben; allen Mannschaften, die uns in der Liga und in Testspielen gefordert haben, namentlich herausgehoben unseren A-Mädchen und der Zweiten von LIT Tribe 1912 – sowie nicht zuletzt und besonders herzlich den Familien und Freunden, die mitgemacht und unsere Launen ertragen haben.